Kein Staatsbankrott in Deutschland
Timmendorfer Strand - Hohen Besuch hatte am vergangenen Donnerstagabend der Ortsverband der FDP in dem Ostseebad Timmendorfer Strand. Der Leiter des Zentrums für Wirtschaftspolitik am Institut für Weltwirtschaft in Kiel (IfW), Professor Dr. Henning Klodt, hielt vor den Mitgliedern der Liberalen sowie zahlreichen Gästen im Grand Hotel Seeschlösschen einen zweigegliederten Vortrag mit anschließender Diskussions- und Fragemöglichkeit. Die Gelegenheit, einem so renommierten Wirtschaftswissenschaftler wie Professor Klodt Fragen stellen zu können, wurde seitens der Teilnehmer dankend angenommen.
Im ersten Teil des Vortrags ging es um Fragen des Arbeitsmarktes, während sich der zweite Teil mit der gegenwärtigen Finanz- und Wirtschaftskrise auseinandersetzte. „Beides ist eng miteinander verknüpft! Wenn Sie, wie ich, davon ausgehen, dass wir in Deutschland eines Tages die Finanz- und Wirtschaftskrise, wenn auch mit Blessuren, überstanden haben, ist es wichtig, die strukturellen Arbeitsmarktprobleme verstanden zu haben, um die richtigen Schlussfolgerungen hieraus zu ziehen. Seit den 1960er Jahren ist das Problem der sog. Sockelarbeitslosigkeit ungelöst“, erklärte der Wirtschaftswissenschaftler.
Es gebe keine Zweifel daran, dass sich Deutschland seit Jahrzehnten von einer Industrie- zu einer Dienstleistungsnation gewandelt hätte und dieser Veränderungsprozess auch noch anhalte. Selbst in den sog. Abschwungphasen hätte es Arbeitsplatzzuwächse im Bereich der Dienstleistungen gegeben, während der warenproduzierende Bereich lediglich in der Aufschwungphase 1985 – 1991 Zuwächse zu verzeichnen gehabt hätte, in allen anderen Aufschwungphasen jedoch ein Arbeitsplatzabbau stattgefunden habe.
Seit Anfang der 1990er Jahre gäbe es einen signifikanten Anstieg im Bereich der Informations- und Dienstleistungsberufe, während die Anzahl der Arbeitsplätze in den sog. Fertigungsberufen rückläufig sei. „In der Dienstleistungsbranche handelt es sich oftmals um Arbeiten, für die hoch qualifiziertes Personal benötigt wird. Es ist falsch, wenn immer wieder von der Politik oder den Medien behauptet wird, in der Automobilbranche arbeiteten in Deutschland mehr Menschen als im oftmals geschmähten und unterbewerteten Dienstleistungssektor. Das Gegenteil ist der Fall. Während in der Automobilbranche in Deutschland ca. 700.000 Menschen beschäftigt sind, sind es im Dienstleistungsbereich weit über 1 Million!“, so Professor Klodt. Aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht sei es grundfalsch nun einzelnen Automobilherstellern mit Staatsgeldern unter die Arme zu greifen, sagte Klodt mit Blick auf die öffentlich geführte Debatte über Opel. Als besonderes arbeitsmarktpolitisches Problem bezeichnete es Professor Klodt, dass 60% der Arbeitslosen, die vor ihrer Arbeitslosigkeit ein monatliches Einkommen zwischen € 400 und € 750 zur Verfügung hatten, nicht bereit seien, für ein anfangs darunter liegendes Einkommen zu arbeiten, um so aus der Arbeitslosigkeit herauszukommen.
Den Stein der Weisen habe er noch nicht gefunden, leitete Professor Klodt den Teil des Vortrags ein, der sich mit der Finanz- und Wirtschaftskrise beschäftigen sollte.
Während in den Medien zur Ursache der Finanzkrise immer wieder das Platzen der Immobilienblase in den USA als Erklärung herangezogen wird, sei dies nur ein Teil der Wahrheit, so Professor Klodt. Bei dieser verkürzten Darstellung lasse man außer Betracht, was der Beginn der Immobilienblase gewesen sei - nämlich die zunächst in den USA und dann auch in Europa außerordentlich expansive Geldpolitik.
Die erheblichen Geldmengen seien zunächst in Häuser und eventuell noch Autos gesteckt worden, später aber beispielsweise auch in Aktienpakete und Rohstoffe. Dies erkläre den enormen Anstieg von Aktienkursen und des Ölpreises in den letzten Jahren. Insofern bereite es ihm sehr große Sorgen, wenn die gegenwärtige Krise, die durch ein Bereitstellen von großen Geldmengen durch die Notenbanken ausgelöst worden sei, nun versucht werde, mit dem gleichen Instrument, nämlich der Zurverfügungstellung großer Geldmengen, in den Griff zu bekommen, referierte der Professor vom Institut für Weltwirtschaft.
Als weitere Ursache für die gegenwärtige Krise benannte Prof. Klodt das Versagen der Ratingagenturen. In diesem Zusammenhang kritisierte Klodt, dass es weltweit lediglich zwei Ratingagenturen gebe, die als angesehen gelten. Dass es nur zwei Agenturen gebe, sei an sich schon sehr problematisch. Ferner gab Klodt dem unregulierten Investmentbanking und dem sog. Offshore-Banking jeweils eine Mitverantwortung für die weltwirtschaftliche Lage. Auch die HSH-Nordbank sei sehr aktiv im Bereich des Offshore-Banking gewesen, so Klodt.
Um künftig eine so schwerwiegende und ernsthafte Krise wie die jetzige zu vermeiden, empfahl Professor Klodt eine umfassende Bankenaufsicht, die beinhalten müsse, dass Banken „keine Bilanzen außerhalb ihrer Bilanz“ haben dürften. Hiermit meinte Professor Klodt
jenen Teil des Investment-Bankings, der nicht der allgemeinen Bankenaufsicht
unterliegt und der formal außerhalb der regulären Bankbilanz abgewickelt
wird.
Professor Klodt hielt es für fraglich, ob tatsächlich der Zusammenbruch weiterer Großbanken vermieden werden müsste. Für die Hypo Real Estate Bank habe man bisher insgesamt € 110 Mrd. an liquiden Mitteln zur Verfügung gestellt, dies entspräche 40% des Bundeshaushalts. Es sei sehr besorgniserregend und alarmierend, dass es sich hierbei um eine einzige Bank handelte. Die Frage sei eben, um welchen Preis man bereit sei, Banken zu retten. Für Deutschland und damit die Steuerzahler sei es preiswerter und effektiver, wenn der Staat Garantien für sog. systemische Anlagen (z.B. Lebensversicherungen) erklären würde. Bei der Hypo Real Estate Bank wäre es günstiger gewesen, die systemisch wichtigen Pfandbriefe staatlich abzusichern als gleich die
ganze Bank.
Aktuell betrage die Verschuldung Deutschlands ca. 65% des Bruttoinlandproduktes (BIP), addiere man alle bisher geleisteten Rettungsschirmzahlungen und abgegebenen Bürgschaften der Bundesregierung, so erreiche man derzeit ca. 85% des BIP.
Während in Europa in absehbarer Zeit mit Staatsbankrotten zu rechnen sei, schließt Professor Klodt dies für Staaten innerhalb der Euro-Zone als auch für Deutschland aus. Insofern würde sich nun zeigen, dass die gemeinsame Währung eine gute Sache sei. (MW)
Timmendorfer Strand - Hohen Besuch hatte am vergangenen Donnerstagabend der Ortsverband der FDP in dem Ostseebad Timmendorfer Strand. Der Leiter des Zentrums für Wirtschaftspolitik am Institut für Weltwirtschaft in Kiel (IfW), Professor Dr. Henning Klodt, hielt vor den Mitgliedern der Liberalen sowie zahlreichen Gästen im Grand Hotel Seeschlösschen einen zweigegliederten Vortrag mit anschließender Diskussions- und Fragemöglichkeit. Die Gelegenheit, einem so renommierten Wirtschaftswissenschaftler wie Professor Klodt Fragen stellen zu können, wurde seitens der Teilnehmer dankend angenommen.
Im ersten Teil des Vortrags ging es um Fragen des Arbeitsmarktes, während sich der zweite Teil mit der gegenwärtigen Finanz- und Wirtschaftskrise auseinandersetzte. „Beides ist eng miteinander verknüpft! Wenn Sie, wie ich, davon ausgehen, dass wir in Deutschland eines Tages die Finanz- und Wirtschaftskrise, wenn auch mit Blessuren, überstanden haben, ist es wichtig, die strukturellen Arbeitsmarktprobleme verstanden zu haben, um die richtigen Schlussfolgerungen hieraus zu ziehen. Seit den 1960er Jahren ist das Problem der sog. Sockelarbeitslosigkeit ungelöst“, erklärte der Wirtschaftswissenschaftler.
Es gebe keine Zweifel daran, dass sich Deutschland seit Jahrzehnten von einer Industrie- zu einer Dienstleistungsnation gewandelt hätte und dieser Veränderungsprozess auch noch anhalte. Selbst in den sog. Abschwungphasen hätte es Arbeitsplatzzuwächse im Bereich der Dienstleistungen gegeben, während der warenproduzierende Bereich lediglich in der Aufschwungphase 1985 – 1991 Zuwächse zu verzeichnen gehabt hätte, in allen anderen Aufschwungphasen jedoch ein Arbeitsplatzabbau stattgefunden habe.
Seit Anfang der 1990er Jahre gäbe es einen signifikanten Anstieg im Bereich der Informations- und Dienstleistungsberufe, während die Anzahl der Arbeitsplätze in den sog. Fertigungsberufen rückläufig sei. „In der Dienstleistungsbranche handelt es sich oftmals um Arbeiten, für die hoch qualifiziertes Personal benötigt wird. Es ist falsch, wenn immer wieder von der Politik oder den Medien behauptet wird, in der Automobilbranche arbeiteten in Deutschland mehr Menschen als im oftmals geschmähten und unterbewerteten Dienstleistungssektor. Das Gegenteil ist der Fall. Während in der Automobilbranche in Deutschland ca. 700.000 Menschen beschäftigt sind, sind es im Dienstleistungsbereich weit über 1 Million!“, so Professor Klodt. Aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht sei es grundfalsch nun einzelnen Automobilherstellern mit Staatsgeldern unter die Arme zu greifen, sagte Klodt mit Blick auf die öffentlich geführte Debatte über Opel. Als besonderes arbeitsmarktpolitisches Problem bezeichnete es Professor Klodt, dass 60% der Arbeitslosen, die vor ihrer Arbeitslosigkeit ein monatliches Einkommen zwischen € 400 und € 750 zur Verfügung hatten, nicht bereit seien, für ein anfangs darunter liegendes Einkommen zu arbeiten, um so aus der Arbeitslosigkeit herauszukommen.
Den Stein der Weisen habe er noch nicht gefunden, leitete Professor Klodt den Teil des Vortrags ein, der sich mit der Finanz- und Wirtschaftskrise beschäftigen sollte.
Während in den Medien zur Ursache der Finanzkrise immer wieder das Platzen der Immobilienblase in den USA als Erklärung herangezogen wird, sei dies nur ein Teil der Wahrheit, so Professor Klodt. Bei dieser verkürzten Darstellung lasse man außer Betracht, was der Beginn der Immobilienblase gewesen sei - nämlich die zunächst in den USA und dann auch in Europa außerordentlich expansive Geldpolitik.
Die erheblichen Geldmengen seien zunächst in Häuser und eventuell noch Autos gesteckt worden, später aber beispielsweise auch in Aktienpakete und Rohstoffe. Dies erkläre den enormen Anstieg von Aktienkursen und des Ölpreises in den letzten Jahren. Insofern bereite es ihm sehr große Sorgen, wenn die gegenwärtige Krise, die durch ein Bereitstellen von großen Geldmengen durch die Notenbanken ausgelöst worden sei, nun versucht werde, mit dem gleichen Instrument, nämlich der Zurverfügungstellung großer Geldmengen, in den Griff zu bekommen, referierte der Professor vom Institut für Weltwirtschaft.
Als weitere Ursache für die gegenwärtige Krise benannte Prof. Klodt das Versagen der Ratingagenturen. In diesem Zusammenhang kritisierte Klodt, dass es weltweit lediglich zwei Ratingagenturen gebe, die als angesehen gelten. Dass es nur zwei Agenturen gebe, sei an sich schon sehr problematisch. Ferner gab Klodt dem unregulierten Investmentbanking und dem sog. Offshore-Banking jeweils eine Mitverantwortung für die weltwirtschaftliche Lage. Auch die HSH-Nordbank sei sehr aktiv im Bereich des Offshore-Banking gewesen, so Klodt.
Um künftig eine so schwerwiegende und ernsthafte Krise wie die jetzige zu vermeiden, empfahl Professor Klodt eine umfassende Bankenaufsicht, die beinhalten müsse, dass Banken „keine Bilanzen außerhalb ihrer Bilanz“ haben dürften. Hiermit meinte Professor Klodt
jenen Teil des Investment-Bankings, der nicht der allgemeinen Bankenaufsicht
unterliegt und der formal außerhalb der regulären Bankbilanz abgewickelt
wird.
Professor Klodt hielt es für fraglich, ob tatsächlich der Zusammenbruch weiterer Großbanken vermieden werden müsste. Für die Hypo Real Estate Bank habe man bisher insgesamt € 110 Mrd. an liquiden Mitteln zur Verfügung gestellt, dies entspräche 40% des Bundeshaushalts. Es sei sehr besorgniserregend und alarmierend, dass es sich hierbei um eine einzige Bank handelte. Die Frage sei eben, um welchen Preis man bereit sei, Banken zu retten. Für Deutschland und damit die Steuerzahler sei es preiswerter und effektiver, wenn der Staat Garantien für sog. systemische Anlagen (z.B. Lebensversicherungen) erklären würde. Bei der Hypo Real Estate Bank wäre es günstiger gewesen, die systemisch wichtigen Pfandbriefe staatlich abzusichern als gleich die
ganze Bank.
Aktuell betrage die Verschuldung Deutschlands ca. 65% des Bruttoinlandproduktes (BIP), addiere man alle bisher geleisteten Rettungsschirmzahlungen und abgegebenen Bürgschaften der Bundesregierung, so erreiche man derzeit ca. 85% des BIP.
Während in Europa in absehbarer Zeit mit Staatsbankrotten zu rechnen sei, schließt Professor Klodt dies für Staaten innerhalb der Euro-Zone als auch für Deutschland aus. Insofern würde sich nun zeigen, dass die gemeinsame Währung eine gute Sache sei. (MW)
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